Sorgfaltspflicht

Die Arbeitgebenden sind verpflichtet, das Personal zu schützen. Daraus ergibt sich eine Sorgfaltspflicht.

Der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin muss beweisen, Massnahmen getroffen zu haben, die zur Verhinderung sexueller Belästigung notwendig und angemessen sowie billigerweise zumutbar sind (BG, Urteil 4A_283/2022 vom 15. März 2023, c. 4.1.). Die Notwendigkeit, betriebsinterne Massnahmen zum Verhindern von sexueller Belästigung zu ergreifen, ergibt sich also aus verschiedenen Rechtsgrundlagen (Art. 5 Abs. 3 GlG, Art. 6 ArG). Zunächst einmal muss der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin klar bekannt geben, dass er oder sie diskriminierendes Verhalten am Arbeitsplatz nicht duldet. Zudem muss er oder sie in Bezug auf sexuelle Belästigung eine klare Haltung einnehmen. Anders gesagt muss er oder sie eine klare Ansage machen, dass ein solches Verhalten nicht toleriert wird. Hierzu hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) zusammen mit dem Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) verschiedene Empfehlungen erarbeitet:

  1. Der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin erstellt ein Grundsatzdokument zum Schutz vor sexueller Belästigung. Dieses enthält:une déclaration de principe dans laquelle l’employeur se positionne contre le harcèlement sexuel ;
    • eine Grundsatzerklärung, in der die Haltung des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin in Bezug auf den Schutz vor sexueller Belästigung präzisiert wird;
    • eine Definition von sexueller Belästigung und der dazugehörigen Verhaltensweisen;
    • den Geltungsbereich des Dokuments und die gesetzlichen Bestimmungen;
    • die Rechte und Pflichten der Mitarbeitenden;
    • die Beschreibung der Verfahren bei Fällen von sexueller Belästigung;
    • die Bezeichnung der Ansprechstellen, sollte es zu sexueller Belästigung kommen (Erläuterung des Verfahrensablaufs bei einer internen Beschwerde);
    • die vorgesehenen Sanktionen;
    • die Rekursmöglichkeiten.
  2. Der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin informiert das Personal über die Existenz dieses Grundsatzdokuments. Die Weisungen müssen allen Personen, die im Betrieb tätig sind, bekannt sein – ungeachtet der hierarchischen Ebene. Die Information kann mündlich (z.B. bei einer Teamsitzung oder bei den periodischen Qualifikationsgesprächen) oder schriftlich erfolgen. Sie muss allen Mitarbeitenden leicht und ohne lange suchen zu müssen zugänglich sein. Die Information muss regelmässig wiederholt werden.
  3. Der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin bietet diskrete und kompetente Ansprechstellen, bei denen Belästigung gemeldet werden kann. Das kann über die Bezeichnung einer Vertrauensperson innerhalb des Betriebs (z.B. jemand aus dem Personalwesen) oder über eine betriebsexterne Fachperson erfolgen. Diese Person wird dem mutmasslichen Opfer Unterstützung bieten. Sie wird ihm die nötigen Schritte aufzeigen, damit die Belästigung aufhört. Diese Vertrauensperson muss über Kenntnisse im Bereich sexuelle Belästigung verfügen.  

(Auszug aus Für Arbeitgebende: Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verhindern [admin.ch])

Ausserdem ist das Präventions-Kit für einen belästigungsfreien Arbeitsplatz, das von der Schweizerischen Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten (SKG) entwickelt wurde, ein sofort anwendbares und kostenloses Tool, mit dem Unternehmen interner sexueller Belästigung vorbeugen können.

Hohe Gesetzesanforderungen im Bereich Prävention
 
In einem kürzlich erlassenen Bundesgerichtsentscheid (BGE 4A_283/2022 vom 15. März 2023) wird aufgezeigt, dass das blosse Einführen von Massnahmen zur Prävention von sexueller Belästigung durch ein Unternehmen nicht ausreicht. Man muss auch sicherstellen, dass das Personal diese Massnahmen kennt und dass effektiv ein internes Verfahren durchgeführt werden kann. In diesem Entscheid ging es darum, dass eine Bank ihre Sorgfaltspflicht verletzt hatte, indem sie eine Angestellte nicht ausreichend vor den sexuell konnotierten Gesten und Äusserungen eines Kollegen geschützt hatte.
 
Ein Bankangestellter hatte eine seiner Kolleginnen sexuell belästigt. Es hatte sie an den Hintern gefasst und bei einem Geschäftsessen unangebrachte Äusserungen über sie gemacht.
 
Das Bundesgericht hat aufgezeigt, dass die Bank zwar eine Politik zur Prävention sexueller Belästigung sowie ein internes Verfahren mit Tools zur Meldung von Fällen eingeführt hatte, dass das Personal diese Instrumente und Möglichkeiten jedoch nicht gut oder gar nicht kannte und nicht wusste, wie sie anzuwenden sind; ausserdem waren diese Instrumente beim Personal nicht genügend verbreitet und bekannt gemacht worden.
 
Darüber hinaus hatte die Bank ihrer Angestellten eine direkte Konfrontation mit der belästigenden Person aufgezwungen, womit sie ihre Pflicht, diese zu schützen, verletzt hatte. Die Bank hatte keine Vertrauensperson bezeichnet, bei der die Angestellte hätte Hilfe suchen können und die sie während des gesamten Verfahrens begleitet hätte. Letztlich war die interne Untersuchung nicht mit der nötigen Sorgfalt durchgeführt worden und bloss summarisch abgelaufen: Insgesamt 19 Tage lang mit Anhörungen durch eine einzige Person und ohne Protokollführung.
 
Weitere Informationen unter www.leg.ch
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